- Johannes Kepler -
Von den gesicherten Grundlagen
der Astrologie
These 33 - 40
In Hinsicht auf die doppelte Fähigkeit der Planeten, zu erwärmen und zu befeuchten, muß wohl bedacht werden, in welchem Zeichen diese sich befinden. Denn sowohl die Planeten als auch der Mond bewirken sehr viel, wenn sie im Krebsen stehen, weil sie alsdann sehr lange über der Erde bleiben... Sie haben sogar mehr Kraft, wenn sie nur im nördlichen Teil des Tierkreises stehen. Daher sind die Vollmonde zur Zeit des tiefsten Winters feuchter als die der Sommerzeit...
Da wir in Bezug auf die Bewegung wahrnehmen, daß alles Langsame am meisten vermag, so können wir daraus die Gründe abnehmen, warum die stillstehenden Planeten und die, welche gerade in ihrem Apogäum umkehren, so wirksam sind. Der Stillstand des Merkur ist vor allen anderen am wirksamsten. Denn er, als der allerschnellste, verliert am meisten von seiner Bewegung. Der Stillstand des Saturn aber wirkt am wenigsten, weil Saturn zu wenig Bewegung besitzt, als daß er im Stillstand viel verlieren könnte. Der Stillstand des Merkur wird am häufigsten Winde, an bestimmten Orten auch Schnee und Regen, im allgemeinen aber reichliche Dämpfe hervorrufen.
Die [himmlischen] Ursachen zukünftiger Ereignisse, die ich bis jetzt darlegte, haben zwar gewiß viel Göttliches, scheinen jedoch alle mehr die Natur des Stoffes an sich zu tragen - mehr jedenfalls, als jene, die nun folgen. Nämlich die Handlungsart (modus agendi) der Planeten besteht in einer gewissen Ausstrahlung von Licht, das sich bis zu den sublunaren Körpern fortpflanzt.
Diese Ausstrahlung, wie sehr sie auch stoff- und zeitlos erscheint, ist doch nicht ohne quantitative Dimensionen. Sie geschieht nämlich geradlinig, verdünnt sich mit der Entfernung vom Gestirn, nimmt zu und ab mit der Sichtbarkeit des leuchtenden Planeten selber und wird verhindert durch Dazwischentreten eines lichtundurchlässigen Körpers; andererseits wird sie ununterbrochen fortgesetzt, wenn die Leuchtkraft des Gestirns nicht gehindert ist.
Das hat aber nicht nur für ein Gestirn allein Geltung, sondern auch bei dem Vergleich der verschiedenen Gestirne miteinander. So sind es Sonne und Mond, die, weil sie uns am größten anblicken, die Kräfte [der Ausstrahlung] am augenscheinlichsten ihr Eigen nennen. Bei den übrigen aber, deren Durchmesser, mit dem der Sonne und des Mondes verglichen, klein ist, sind sie [die Lichtkräfte] überaus kümmerlich und kaum mehr fühlbar, oder nicht einmal das.
Daher kommt es auch, daß der Wechsel dieser Einwirkungen, der sich nach der oben erwähnten Art und Weise vollzieht, vom größten Teil der Astrologen übersehen wird.
Es folgt nun noch ein anderes wirkendes Element, das alle Planeten in gleicher Weise angeht. Es ist weit hervorragender, als jenes vorher behandelte [als die Ausstrahlung] und muß noch mehr Erstaunen erregen. Denn es hat nichts Stoffliches an sich, sondern hat das Wesen einer forma; aber nicht einer einfachen Form, fondern einer animalischen Fähigkeit, die zu erkennen, und zwar geometrisch zu erkennen imstande ist.
Denn nicht in geraden Linien entlockt es den einzelnen Gestirnen ihre Eigenschaft, sondern es wertet die Strahlen zweier auf der Erde zusammenkommender Gestirne, ob sie sich geometrisch zusammenfügen oder allogonisch. Jenes wirkende Moment wird auch nicht durch die Verfinsterung des Mondes außer Wirksamkeit gesetzt - denn also, wenn keine Strahlen auf die Erde gelangen - sondern es denkt sich alsdann den herniedersteigenden Strahl.
Es wird nicht gehindert, wenn die Erde zwischen uns und den Sternen steht, sondern es läßt die unten [auf der Gegenseite der Erde] verborgenen Planeten auch oben wirksam sein. Schließlich ist jene Fähigkeit fast nur augenblicklich wirkend, und sobald der geometrische Winkel abgeändert wird in einen allogonischen und unharmonischen, so hört die Wirkung sofort oder kurz darauf auf, wie sehr auch das Licht der Gestirne zunehmen mag.
Da dies alles von der Erfahrung aufs Sicherste bestätigt ist, so kam ich dadurch zu den jetzt folgenden Grundsätzen.
Da Gott, der Schöpfer der körperlichen Welt, dieser ihren Schmuck verlieh aus jener forma heraus, die Quantität ist, so ist es natürlich, daß selbst die Lagen [der Gestirne], die Umlaufsdauer und die Größe [der Bahnen] untereinander in einer Proportion stehen, welche aus der Ordnung der festen Körper hergenommen ist.
Das habe ich in meinem "Mysterium cosmographicum" bewiesen. Die Bewegungen der himmlischen Körper aber, die das Leben der Welt sind, stimmen nur dann angenehm zusammen oder üben gemeinsam eine starke Wirkung aus, wenn sie eine aus der Ordnung der Fläche hergenommene Proportion haben. Denn ebenso wie die Fläches des festen Körpers, so ist auch die Bewegung des himmlischen Körpers ein Abbild.
Wie es aber unmöglich ist, daß in der Geometrie mehr als fünf reguläre Körper bestehen, so werde ich auch ein ander Mal, wenn ich die Harmonien behandle, so Gott will zeigen, daß es der, aus dem Vergleich mit der Ordnung der Flächen hergenommenen, harmonischen Verhältnisse nicht mehr als acht geben könne.
Da es also bei den Bewegungen acht gestaltende Verhältnisse gibt, das Wirken des Himmels auf die Welten aber eine Art Bewegung ist, und dorthin gelangt durch Vermittlung von Sternstrahlen, die sich auf den Welten treffen und Winkel bilden, so werden auch acht harmonische Verhältnisse in der Dimension dieser Winkel vorkommen.
Die Alten aber nahmen deren (man nennt sie gewöhnlich Aspekte) nur fünf an, nä,lich die Conjunktion, die Opposition, das Quadrat, das Trigon und das Sextil. Aber meine Überlegung lehrte mich zunächst drei hinzuzufügen: Das Quintil, das Biquintil und as Sesquiquadrat, die späterhin durch die Erfahrung vielfach bestätigt wurden.
Warum das Wirken zweier Planeten im Augenblick der Aspekte sich so sehr steigert, dafür kann ich keine andere Ursache angeben, als jenes animalische Vermögen, welches einerseits fähig ist, das geometrische Verhältnis zu erknnen (das ja den Aspekt ausmacht), andererseits den Körper regiert, an dem die Wirkung wahrgenommen wird.
Die Wirkung erfolgt freilich nicht deshalb, weil die Strahlen sich in einem Winkel vereinigen; denn einen Winkel bilden die Aspekte den einen wie den andern Tag und zwar fortwährend durch irgendwelche Strahlen. Eine Wirkung findet vielmehr erst dann statt, wenn dem Winkel ein harmonisches Verhältnis oder Schema eigen ist (Ptolemäus sagt Schematismoi).
Die Verhältnisse, die Schemata haben an sich noch keine Wirksamkeit; sondern es geschieht hier das nämliche, was sich bei der Bewegung der Lebewesen zu vollziehen pflegt. Denn wenn einer behauptete, die Objekte des Gesichts, die duch das Auge einteten, könnten ein Lebewesen bewegen, und es sei dazu nicht die Lebenskraft im bewegten Körper nötig, so wäre eine solche Philosophie recht unsinnig.
Dieses Vermögen aber, welches den Aspekten ihre Kraft verleiht, ruht nicht in den Sternen selber. Denn die Aspekte, von denen wir sprechen, sind auf der Erde und sind eine reine Figur, die nicht aus der Bewegung der Sterne wesentlich hervorgeht, sondern die sich ergibt aus der zufälligen Lage je zweier Sterne zur Erde.
Wie also die Seele, die den Körper bewegt, nicht im Objekt ist, sondern dort, wo das Abbild des Objektes vorgestellt wird, so muß jene Kraft, welche die Aspekte wirksam macht, allen sublunaren Körpern innewohnen. Die ganze lebendige Kraft ist ja ein Abbild Gottes, der nach geometrischen Prinzipien schafft, und wird angeregt zu ihrem Tun durch eben diese Geometrie oder Harmonie der himmlischen Aspekte.
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Kepler-Kommission - Kommission für die Herausgabe der Werke von Johannes Kepler an der Bayrischen Akademie der Wissenschaften.
Kepler-Museum ... in seinem Geburtsort Weil der Stadt.
Published by themamundi 2002
Ausgabe 3.0 - November 2016
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